„Geiler Scheiß!“ – Klappe, die Vierte.
Katharina fährt Fahrrad. Nicht irgendeins, nein. Sondern eines, das bestens geeignet ist für das Stadtleben in Stuttgart mit Kids: Katharina fährt ein Lastenrad mit Familienaufbau.
Inzwischen blickt sie auf vier Jahre Erfahrung zurück. Danke, Katharina, für das Interview!
Worum geht’s?
Seit mehr als vier Jahren fahren wir täglich mindestens 20 Kilometer mit unserem Rapid, ein Lastenrad der Firma Radkutsche. Es wird in Mössingen bei Tübingen hergestellt. Das zweirädrige Lastenrad ist 2,40 Meter lang, aber nicht besonders breit. So haben wir zwar einen größeren Wenderadius, kommen aber trotzdem durch all die Lücken, durch die jedes andere Fahrrad kommt. Unser „Lasti“ kann bis zu 200 Kilogramm tragen. Wir transportieren meist unsere beiden Mädchen (zwei und vier Jahre alt), die dazugehörigen Transportmittel wie Laufräder, Roller und Kinderfahrrad, Wechselklamotten, Decken und unsere Einkäufe. Dafür haben wir eine Kiste aus Aluminium, eine Bank und ein Verdeck auf die Ladefläche geschraubt. Das Verdeck schützt vor Wind und Regen, im Sommer haben wir ein Sonnensegel eingebaut, das durch Klettverschlüsse größer und kleiner gemacht werden kann und auch „Cabriofahrten“ sind an heißen Tagen möglich. Weil es in Stuttgart viele Berge gibt, haben wir elektrische Unterstützung.
Warum ist das für dich so großartig?
Als Mein Mann vor vielen Jahren mit der Idee auf mich zukam, konnte ich mir kaum vorstellen, jeden Tag damit durch Stuttgart zu fahren. Erst recht nicht mit Kindern. Heute kann ich mir ein Leben ohne unser Rapid nicht mehr vorstellen. Und das sind die wichtigsten Gründe dafür (mir würden noch viele weitere einfallen):
- Ich bin mit dem Rapid trotz des vielen Gepäcks das mich mit Kindern immer begleitet, wahnsinnig flexibel. Ich fahre überall hin. Direkt auf den Spielplatz, direkt auf den Markt, direkt vor den Supermarkt und direkt vor die Haustüre. Ohne lange Parkplatzsuche und ohne lange Schlepperei.
- Ich bin mit meinen Kindern draußen, ich erlebe gemeinsam mit ihnen die Jahreszeiten und ich kann ihnen beibringen, dass es in einer Stadt andere Transportmittel gibt, neben PKW und U- und S-Bahn.
- Ich komme meist schneller von A nach B, als mit dem Auto oder öffentlichen Verkehrsmitteln. Das liegt daran, dass ich nicht erst zur Haltestelle oder zum Parkplatz laufen muss, sondern von Haustür zu Haustür fahren kann. Dass ich Schleichwege oder durch Parks fahre, während Autos meist kompliziertere Wege in Kauf nehmen müssen. Ich stehe nicht im Stau und, was in Stuttgart meist die wesentliche Zeitersparnis ist, ich muss keinen Parkplatz suchen.
- Wir sparen Geld. Auch wenn die Anschaffungskosten eines Lastenrads erstmal hoch erscheinen (unseres hat alles in allem etwa 5.000 Euro gekostet), wir brauchen kein eigenes Auto, sparen Parkgebühren und die Reparaturkosten halten sich in Grenzen. Wenn wir ab und zu ein Auto brauchen, dann mieten wir uns eins beim Carsharing stadtmobil. Das ist neben der Kostenersparnis auch praktisch, weil wir die Größe des Autos an den jeweiligen Verwendungszweck anpassen können.
- Mit unserem Lastenrad bleiben wir flexibel und können es an unsere aktuelle Lebenssituation anpassen. Als unsere Kinder Babys waren, haben wir eine Maxicosi-Halterung eingebaut und konnten sie so transportieren. Wenn wir uns irgendwann für Kind Nummer drei und vier entscheiden würden, dann könnten wir eine zweite Bank mit Gurten einbauen. Und wenn die Kinder zu groß geworden sind, bauen wir die Kiste ab und nutzen die Ladefläche für Getränkekisten, Sofas, Kühlschränke, Zelte, Isomatten, Schlafsäcke, Brennholz oder was es sonst eben so zu transportieren gibt.
- Lastenradfahren macht Spaß. Nach etwa zehn Kilometern Fahrpraxis fühlt es sich schon wie das Normalste der Welt an. Die Kinder lieben es seit der ersten Fahrt. Ich habe sie immer im Blick während wir durch die Stadt ziehen und ich kann mich mit ihnen unterhalten.
Warum ist’s nachhaltig? Warum ist’s großartig für die Welt, für andere Menschen?
Lastenräder zeigen, dass es gerade in Städten Alternativen zum Auto gibt. Ich würde sogar einen Schritt weitergehen und behaupten, sie sind einer der wesentlichen Schlüssel für eine nachhaltige und moderne Stadtplanung. Obwohl Stuttgarter Radfahrerinnen und Radfahrer bisher noch mit wenig Raum auskommen müssen, freue ich mich jeden Tag darüber, mehr und mehr Menschen mit einem Lastenrad zu begegnen.
Ich finde Lastenradfahren und insgesamt Fahrradfahren aber nicht nur aus Umweltaspekten nachhaltig. Radfahrerinnen und Radfahrer begegnen sich unmittelbar und nehmen sich direkt wahr. Sie können anders miteinander kommunizieren, als beispielsweise Autofahrer das können. Sie trennt keine Autohülle. Radfahrende können sich in die Augen schauen, miteinander reden und gehen meiner Meinung nach anders, achtsamer und respektvoller miteinander um, als Autofahrende das oft tun. Dazu kommt, dass sie nicht im Stau stehen und das Frustrationspotenzial so geringer ist, denke ich. Ich habe es jedenfalls noch nie erlebt, dass sich Radler anschreien, sich den Stinkefinger zeigen oder anderweitig ausfällig werden.
Lastenradfahren ist auch deshalb nachhaltig, weil ich ein anderes Raumgefühl, eine andere Beziehung zur Natur habe. Meine Kinder und ich, wir erleben, dass jede Jahreszeit anders klingt, riecht und sich unterschiedlich anfühlt. Wir begrüßen jeden Morgen die Enten im Park, sehen, wie sich die Farbe der Bäume verändert, sagen den Eichhörnchen hallo und freuen uns, wenn wir im Schlossgarten einen Hasen sehen. Und das mitten in der Großstadt. Das macht mich glücklich.
Übrigens, in Stuttgart konnten wir dank gutem Licht, kuscheligen Wolldecken für die Kinder und der richtigen Kleidung im vergangenen Jahr nur an fünf Tagen nicht mit dem Fahrrad fahren. Dann waren die Straßen durch Schnee und Eis zu gefährlich.
Zum Abschluss ein Tipp von Katharina: Die Stadt Stuttgart fördert die Anschaffung von Lastenrädern mit bis zu 4.000 Euro.
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Fotos: Profil- und Titelbild von Katharina